In ihrer Orientierungshilfe «Zwischen Autonomie und Angewiesenheit» von 2013 begründet die Evangelische Kirche Deutschlands, warum sie die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren für geboten erachtet. Die Argumentation verzichtet bewusst darauf, die wenigen expliziten biblischen Aussagen zum gleichgeschlechtlichen Begehren zu thematisieren. Stattdessen verweist sie pauschal auf das Liebesgebot Jesu. Aus ihm leitet sie das Kriterium der «Beziehungsgerechtigkeit» ab: Wenn Menschen die Absicht haben, einander auf Dauer treu beizustehen, dann ist ihre Verbindung gottgefällig und es wert, gesegnet zu werden.
Damit wird eine menschliche Qualität zur Voraussetzung für den Segen Gottes erhoben. Unreflektiert wird das gute menschliche Verhalten zur Grundlage für das gottesdienstliche Handeln. Nicht Gottes Gnade, sondern ein theologisch definiertes Gesetzeswerk ist das Kriterium dafür, ob die Menschen gesegnet werden oder nicht. So wird – viel krasser als in der spätmittelalterlichen Ablasslehre – die Kirche zur Vermittlerin des Heils. Die Selbstgerechtigkeit der Rechtgläubigen wird zur Quelle ihrer Zuversicht.
Das widerspricht allem, was Jesus gepredigt und was Paulus mit der Schärfe seiner Gedankenführung herausgearbeitet hat: «Nicht die Starken brauchen einen Arzt, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten» (Markus 2,17). «Aus Gnade wird ein Mensch gerecht, nicht durch Werke des Gesetzes» (Römer 3,28). Über die Jahrhunderte hin wurden Brautpaare in der Kirche gesegnet, nicht weil sie eine bestimmte menschliche Qualität (eine «Beziehungsgerechtigkeit») vorweisen konnten. Die einzig tragfähige Grundlage für einen Hochzeitsgottesdienst war (und ist) ist das, was Jesus über das Wirken des Schöpfers sagt: Gott hat die Menschen «am Anfang» «männlich und weiblich» gemacht. «Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen», so dass sie «ein Fleisch» werden (Markus 10,7f.). Jeder Mensch hat sein Leben durch dieses Wirken des Schöpfers, ganz abgesehen davon, ob sich seine Eltern «beziehungsgerecht» verhalten haben oder nicht.